Hallo, liebe Leser, der Winter naht, der Terminkalender lichtet sich, das heißt für mich: Mehr Zeit für Blogartikel! Und mehr Zeit zum Lesen, also nehme ich mir mal wieder meinen Mantikore-Karton vor und stelle ich euch heute mein aktuelles Highlight des Verlages vor:
Metal Heroes – and the fate of rock
Ich habe mir schon auf der MantiCon 2015 von Autor Swen Harder (vielleicht dem Einen oder Anderen bekannt durch das derzeitig längste Rollenspielbuch „Reiter der Schwarzen Sonne“ oder das Mini-Rollenspielsystem RPG2go) den Mund wässrig machen lassen und damals auch schon vorsorglich ein Promoposter abgegriffen. Damals klang es, als wäre die Veröffentlichung noch in weiter, weiter Ferne, aber jetzt ist es endlich so weit, das Buch ist fertig! Und mit metal-tauglicher Anlage, Pokerdeck und Würfeln bewaffnet und mich in diesem gefährlichen Zustand begeisterter Erwartung (der ja so oft von ernüchternder Enttäuschung gefolgt wird) befindend, begab ich mich in vertrauensvollen Hände des Rockgotts… (Und wer zum Lesen der Rezension gleich mal was auf die Ohren will versucht es einfach mal mit GORMATHON – Hellbender, übrigens Teil des Soundtracks, aber dazu später mehr)
Und worum geht’s? – Du bist Taylor, abgefuckt und irgendwie ein ziemlicher Loser, außer wenn es um deine Leidenschaft geht: Metal. Und vermutlich hättest du den Rest deines Lebens damit verbracht, Geld für irgendwelche Platten zusammen zu kratzen, hätte dich nicht ein Lastwagen überfahren und dich ins Rock-Jenseits befördert. Dort lernst du den alternden Rock-Gott kennen, der auf den ganzen Mist eigentlich keinen Nerv mehr hat und dir gerne das Zepter und damit die Verantwortung für die komplette Rockwelt in die Hand geben würde. Aber vorher musst du dich würdig erweisen und durch deine göttliche Anleitung die eher mäßige Garagenband „Metal Heroes“ zu Weltstars aufbauen…
Und so führt dich deine Reise an der Seite der Metal Heroes durch die verschiedenen Genres und Epochen der Rock- und Metalgeschichte, mit und gegen Groupies, Manager, Konkurrenten, Musikagenturen, … und durch die Konzerthallen und Festivalplätze der bekannten Rockwelt und darüber hinaus.
Die Regeln – Ganz ehrlich? Metal Heroes fährt so viel auf, einiges altbekannt, aber auch viel Neues, dass es den Rahmen eines Blogeintrags sprengen würde, alle Regelmechanismen und „Mini-Spiele“ zu erklären. Also hier nur ein paar kleine Ausschnitte und der Hinweis, dass Metal Heroes aus dem Vollen schöpft. Viele neue Ideen, die meisten davon richtig, richtig gut.
- Schwierigkeitslevels: Metal Heroes kann in drei Schwierigkeitslevel gespielt werden. (Pussy, Rocker und Freak) Je nach Regelaffinität des Spielers kann man also sehr regelleicht spielen, einige strategische Elemente einbinden oder so richtig auf den Putz hauen. Ich habe auf Freak-Level gespielt, das Konzertregelsystem hat mir einfach zu gut gefallen, um es auszulassen. Sollte jemand Erfahrung mit einem der anderen Regel-Niveaus gemacht haben, freue ich mich über Kommentare.
- Tutorial: Meiner Meinung nach extrem gut und immersiv umgesetzt – Der Rockgott führt einen durch die Regeln und zwar genau dann, wenn sie relevant werden. Es finden sich zwar ein gutes Dutzend Seiten Regeln am Ende des Buches, die aber nur als Zusammenfassung für die Erklärungen des Gottes dienen und stückweise vermittelt recht zugänglich sind.
- Zufall: Zufallselement sind Pokerkarten, entweder durch Blättern im Buch emuliert oder durch das Ziehen aus einem echten Poker-Deck (z.B. aus der Special Edition ;)) Für die „Kämpfe“ also Konzerte wird auch gewürfelt (auch hier entweder via Würfelergebnissen auf dem Seitenrand oder physikalischen Würfeln)
- Soundtrack: – Es geht um Musik, klar, dass es für Metal Heroes einen Soundtrack gibt! Teilweise kann dieser benutzt werden, um sich Regel- und Storyvorteile zu erschaffen, oft dient er zur musikalischen Untermalung verschiedenen Szenen und/oder Begegnungen.
- Easter Eggs: Passen an sich nicht in die Regelmechaniken, aber sonst auch nicht so wirklich, loswerden wollte ich es trotzdem: Metal Heroes steckt voller Easter Eggs, Gimmicks, netter Kleinigkeiten und kleiner Insiderwitze. Ich habe schon die meisten Handlungslinien mehrfach gespielt um möglichst viele zu finden, bin mir aber recht sicher, trotzdem welche übersehen zu haben. Super Sache.
Spielerlebnis – Machen wir es kurz: Ich hatte einen Riesenspaß. Metal Heroes ist witzig, spannend, cool und rockt. Ich war gerne Rockgott, habe es sehr genossen, alte und neue Rock- und Metalgrößen zu treffen (wenn auch „nur“ auf dem Papier) und wichtige Ereignisse und Orte der Rock- und Metalgeschichte abzuklappern. Und mein (Rock-)Gott, war ich stolz, meine Helden am Ende an der Spitze zu sehen. Metal Heros wurde nie langweilig oder mit seinem doch eigenwilligen Humor anstrengend, es hat einfach alles gepasst. Und selbst ich als eingefleischter Metalhead habe noch die eine oder andere Sache dazu gelernt und meinen musikalischen Horizont erweitert. Also sogar eigentlich Bildungsliteratur 😉
Einziger Kritikpunkt wäre vielleicht, dass die Geschichte recht linear ist. Die recht kurzen Kapitel werden nacheinander durchlaufen, es gibt zwar Bonuskapitel, aber im Allgemeinen dürfte die Geschichte bei jedem Durchspielen recht ähnlich verlaufen. Was zumindest mir nichts ausmacht, ich habe nicht auf die Uhr geschaut, aber war mit Metal Heros immerhin zwei lockere Wochenenden beschäftigt, und auch in Sachen Entscheidungsmöglichkeiten und Konsequenzen habe ich nicht wirklich etwas vermisst. Da sehe ich über Linearität und eventuellen schwachen Wiederspielwert gerne hinweg.
Oh, und zumindest wenn man auf Perfektion spielt (oder sehr viel Glück hat?) stellt sich ab etwa 2/3 des Buches ein gewisser „Power-Creep“ ein. Wir hatten weit vor Abschluss des Buches schon quasi alle Stats maximiert und eine idiotensichere Songauswahl, die selbst bei komplett scheiternden Musikern noch die meisten Auseinandersetzungen gewinnt. So schlimm war das aber nicht, Haupteffekt ist, dass man sich und seine Arbeit einfach phänomenal gut findet 😉
Aufmachung – Metal Heroes wurde mit großer Sorgfalt fertig gestellt, das merkt man. Die Illustrationen sind klasse, ich habe keinen einzigen Rechtschreibfehler gefunden, das Layout unterstützt perfekt das Buch und seine Spielmechaniken. Hut ab, alle Beteiligten.
Dann noch ein paar Worte zu den Editionen: Die Standard-Edition passt und ist für das Spielerlebnis völlig ausreichend. Die Special Edition ist ihre 5€ mehr allerdings schon Wert und solltet ihr nicht so auf’s Geld schauen müssen, gönnt es euch. Für die 5€ mehr gibt es: ein Würfelset, ein Pokerblatt illustriert von Fufu Frauenwahl mit Metal Heroes-Motiven, eine Fake-Eintrittskarte, eine CD mit dem Soundtrack plus schönem Case (in das auch Würfel und Karten passen) und einen schönen, aber leider etwas knickanfälligem Schuber für alles.
Fazit – Ich bin kein Freund von Superlativen, aber ich formuliere es mal so: Ein Spielbuch, das besser als Metal Heroes sein möchte, muss echt vorlegen. Metal Heroes – and the fate of Rock ist Pflichtlektüre für Spielbuch-Enthusiasten und Metalheads aller Färbungen. Und auch sonst ist es einfach gut und dürfte damit den meisten Menschen auch außerhalb dieser Interessensgebiete etwas bieten.
Abschließende Gedanken – Metal Heroes enthält einen der coolsten mir bekannten blinden Helden. Es wäre also echt toll, wenn man es hinkriegen würde, das Buch in einer blindenfreundlichen Version anzubieten, also entweder als Hörbuch oder als entsprechend aufbereitetes E-Book. Ja, einige der Rätsel lassen sich schlecht bis nicht „übersetzen“, aber auch ohne diese Rätsel wäre das Buch klasse. Sollte das einer der Verantwortlichen lesen und nur einfach nicht genau wissen, wie man das angehen könnte, stelle ich gerne Kontakte her, meldet euch einfach.
PS: Und hier noch als Bonus Content ein Rock-Artefakt, derzeitig im Besitz meiner Schwester.
NOBUSAMAS DRUMSTICK
(Foto folgt)
Auf dem Summerbreeze 2016 einem besonders geduldigen Fan überreicht, hat dieser durchgerockte und angeschwitzte Drumstick einen Teil der Rock-Energie des japanisch-stämmigen Kammercorers gespeichert. Wird es von dem Schlagzeuger einer Band in einem Song unter seiner Führung eingesetzt, so erhält der Drummer POWER+1.
Allerdings ist das gute Stück schon so angegriffen, dass es nur noch drei Lieder Einsatz überleben wird.
Ein Exemplar der Standard-Ausgabe wurde mit vom Mantikore-Verlag zu Rezensionszwecken zugeschickt. Die Rezension selbst bezieht sich allerdings auf Special Edition.
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